Freitag, 11. April 2008

Mountain Battles

Nun ist ja letzte Woche die neue Breeders-Platte herausgekommen. "Mountain Battles" heißt sie, und ich habe sie mir noch nicht gekauft, hauptsächlich wahrscheinlich weil ich immer noch beleidigt bin wegen der Absage des Berlin-Konzertes, auf das ich mich schon so gefreut hatte. Aber auf dieser ebenso dilettantisch anmutenden wie charmanten Seite habe ich dieses Video gefunden



auf dem man nicht nur die ganze Platte hören kann, sondern auch noch sehen kann, wie wild es auf der Record-Release-Party zuging. Echter Rock'n'Roll eben. (Übrigens habe ich erst neulich, als ich mit einem befreundeten Lichttechniker mich unterhielt, die Bedeutung des Begriffes "Rock'n'Roll" erfasst: Es kommt (so habe ich es mir erklärt) daher, dass die Band ankommt, aufbaut, abends rockt, dann wieder alles zusammenpackt und weiterfährt (rollt), und in der nächsten Stadt wieder aufbaut, rockt, rollt, usw. Interessant, oder?)
Ich muss leider sagen, dass mich diese Platte auch jetzt beim dritten Hören noch nicht vom Hocker gerissen hat, im Gegensatz zum Beispiel zur ersten und einzigen Amps-Platte, "Pacer", die ich unerklärlicherweise erst letztes Jahr für mich entdeckt habe.
Es klingt wie die Breeders, das ist schon mal schön, und es beginnt verheißungsvoll wie eine Messe, aber dann tröpfelt es einfach ab. Keine überraschenden neuen Ideen, keine besonderen Höhepunkte, eher ein Experimentieren mit Bekanntem (die schönen Gitarrendialoge gibts jetzt auch mit Stimmen) und Neuem (natürlich: Country). Das meiste klingt so, als wäre es noch nicht ganz fertig. "Die Schönheit der Fragmente" las ich hier, das trifft es ganz gut. Nur das vierte Lied (darf man überhaupt noch "Lied" sagen? Oder heißt das jetzt offiziell "Song"?) "We're Gonna Rise" versetzte mich spontan in den typischen Breeders-Zustand: Treiben in einer Blase aus Harmonie und leichtem Wahnsinn, in der die Zeit stillsteht. Ich musste das Lied dann auch immer wieder hören, um diesen embryonalen Zustand möglicht lange aufrecht zu erhalten. Aber trotzdem wollte sich die ersehnte Euphorie nicht so recht einstellen.
Ansonsten habe ich bis jetzt auch nur wohlmeinende Verrisse gehört oder gelesen, deren Milde sich, so glaube ich, hauptsächlich daraus speist, dass die Herren (und Damen) Musikjournalisten sich daran erinnerten, dass sie früher gerne mit Kim Deal geschlafen hätten. warum auch nicht. Ich habe nichts mehr gegen Musikjournalisten, nachdem ich einen dieser ach so abgekochten Burschen letztes Jahr auf einem Silver Mt. Zion-Konzert habe weinen sehen.
Dieses kleine Interview habe ich noch gefunden, aber es erzählt leider auch nicht viel mehr, außer dass Drogen wirklich das Gehirn schädigen.
Was soll ich sonst noch sagen? Ich bin ratlos. Aber ich bin ja auch kein Musikjournalist.

Mittwoch, 2. April 2008

Tibet-Basher

Also gut, reden wir über Tibet. Machen ja alle. Und ja, natürlich ist mir aufgefallen, dass überall mehr oder weniger das gleiche steht, dass die Antagonisten und die ihnen zugeordneten Attribute in diesem Konflikt überall die Selben sind: Mönche - Buddhisten - friedlich, Polizei - Chinesen - schießen.
Ich war noch nie in Tibet und ich bin auch kein Buddhist (auch wenn mein Ergebnis bei diesem Test hier das Gegenteil nahe legt), ich muss mich auf das verlassen, was ich zu lesen/sehen kriege, und es stimmt mich schon misstrauisch, wenn plötzlich überall einhellige Übereinstimmung herrscht darüber, wer hier im Recht ist und wer im Unrecht, denn das ist ja normalerweise nie so. (Genau! So weit ist es nun schon! Anstatt dass ich das als Beweis nehme dafür, dass die Lage ausnahmsweise mal eindeutig ist: Misstrauen!)
Nur in dieser Tageszeitung fand ich einen Beitrag (Teil 1, Teil 2) der sich dem allerorten herrschenden Pro-Tibetischen Konsens (in Wahrheit bröckelt er schon) entgegenstemmt. Im Duktus des Autors müsste es wohl eher heißen: in dieser "Tageszeitung" fand ich einen "Beitrag".... - und damit bin ich auch schon beim Thema, denn das Zeug ist Hetze der übelsten Art. Schade eigentlich.
Denn um ehrlich zu sein, geht mir dieser Dalai Lama mit seinem debilen Gekicher schon gehörig auf den Keks. Ich habe keine Ahnung, wofür er in Wirklichkeit steht, ob er überhaupt für etwas steht, ob er politische Ansichten hat, und wenn ja, woraus diese bestehen. Und ich fürchte, dass alle diese Leute, die sich als seine Freunde betrachten (wenn man solche Freunde hat; braucht man da eigentlich noch die Chinesen?), das auch nicht so genau wissen. Insofern hat der Autor Colin Goldner (offenbar ein Amok-Sachbuchschreiber) schon recht mit seinem Vorsatz, das mythische Shangri-La zu entzaubern, das Tibet laut all den ahnungslosen Hobbybuddhisten gewesen sein soll, bevor die Chinesen einmarschierten.
Aber! Schon allein die Sprachlichkeit erweckt den Anschein, als hätte der Autor sein Handwerk noch zu Stalins Lebzeiten erlernt, und sie ist in Wirklichkeit wahrscheinlich einfach von der chinesischen Darstellung übernommen. Vom "Rotkuttenmob" liest man da, und von "Mönchstrupps", die "marodierend" durch die Straßen ziehen und "auf jeden einprügelten, der nicht tibetisch genug aussah". Vom Dalai Lama und seinen "Verlautbarungsorganen" ist die Rede, die "Lügenpropaganda" an "bürgerliche Westmedien" liefert. Meine Güte. Ja, der kalte Krieg fehlt uns allen, als die Lager sich noch stramm gegenüberstanden, und jeder wusste wo der Feind stand. Und wenn ich zunächst nur den Verdacht hatte, dass die zur Zeit herrschende einhellige Tibet-Solidarität sich zu großen Teilen aus Überresten eines alten antikommunistischen Reflexes speist: hier findet sich der Beweis und der Gegenreflex in einem.
Aber nicht nur die Sprache disqualifiziert den Autor, auch die Geschütze, die er auffährt: Zunächst führt er gegen den Dalai Lama dessen "eklatant frauen- und homosexuellenfeindlichen Positionen" ins Feld, erläutert diese Anschuldigungen aber nicht weiter und kommt auch nicht mehr darauf zurück. Überhaupt ist es eine beliebte Praxis des Autors, die haarsträubendsten Dinge zu behaupten, ohne sie überprüfbar zu machen. Unter dem Deckmantel der Aufklärung erklärt er dann, was er über die tibetische Religion, den Buddhismus, den er als "pathologischen Karmawahn" denunziert, herausgefunden hat: "menschenunwürdige Unterwerfungsrituale" und Vergewaltigungen von jungen Mädchen sowie der Genuss von Menschenfleisch und Kot sind an der Tagesordnung, wenn man dem Autor glauben möchte.
Jetzt mal im Ernst: Buddhisten essen Kacke? Wer hat sich das ausgedacht? Cartman? (Der glaubt auch, dass Juden immer ihr Gold an einer Schnur um den Hals tragen.) Wenn das stimmen würde, dann hätten wir doch bestimmt schon mal davon gehört, oder? Denn so tiefgreifend ist der Buddhismus-Wahn nun doch nicht, als dass sich jemand diese Story entgehen lassen würde!
Und so geht das munter weiter. Angaben der Tibeter über tibetische Opfer oder die Menschenrechtsverletzungen der Chinesen werden als "Propaganda zur Sammlung von Sympathiepunkten beziehungsweise Spendengeldern" abgetan, stattdessen stützt sich der Autor lieber auf "offizielle Angaben", die beweisen, dass alles halb so schlimm ist in Tibet. Offizielle Angaben? Das sind die Angeben der Chinesen? Und weil die nicht angeben, dass sie in Tibet menschenrechtswidrig vorgehen und vorgingen, dann stimmt das auch. Das klingt allerdings plausibel.
Am besten ist die Empörung des Autors über die "gleichgeschalteten Medien": diese verletzten mit ihrer tendenziösen pro-Tibetischen Berichterstattung ihre "journalistische Sorgfaltspflicht", klagt er an. Das glaube ich gerne, nur scheint mir ausgerechnet Herr Goldner in dieser Sache der denkbar falsche Ankläger zu sein. Denn während die anderen Medien womöglich unkritisch die Darstellungen der Tibeter weitergeben, macht er das gleiche einfach mit der chinesischen Propaganda. Und das eine ist genauso falsch wie das andere, denn: Das Gegenteil ist auch verkehrt!