Das inspirierte das eine oder andere visuell orientierte Nachrichtenmagazin zu Bilderserien á la "Best-of-Kriegsfotografie". Worum geht es dabei? In dem Film "Das fünfte Element" lernt Leeloo, der perfekte Mensch, die Geschichte der Menschheit an einem Nachmittag vor einem Computermonitor. Bilder spielen dabei scheinbar eine zentrale Rolle, und nachdem sie all die schrecklichen Bilder, die beim Stichwort "War" ablaufen, gesehen hat, möchte sie mit der Menschheit nichts mehr zu tun haben.
Und tatsächlich gibt es ja eine Reihe von Bildern, die jeder kennt und anhand derer man die letzten hundert Jahre auf eine Diashow von weniger als einer Minute zusammenschnurren lassen kann: der fallende Soldat von Capa, der Junge aus dem Warschauer Ghetto, die Leichenberge aus Bergen-Belsen, Der Atompilz von Hiroshima, wie Kennedy erschossen wird, ein Mensch auf dem Mond, die Napalm-Opfer-Kinder aus Vietnam, Tschernobyl von oben, wie alle auf der Berliner Mauer feiern, die brennenden Twin Towers, der Mann mit der Hundeleine. Bestimmt habe ich ein paar Bilder vergessen, und manches hängt bestimmt auch von der Perspektive und vom Alter des Betrachters ab, aber es ist ja unstrittig, dass es diese Bilder gibt, die jeder erkennt, weil sie zur kollektiven Erinnerung gehören (die, jaja, konstruiert ist).
Es sind die Bilder, die man immer wieder zu sehen bekommt, wenn ein bestimmtes Thema verhandelt wird, wenn ein bestimmter geschichtlicher Hintergrund illustriert werden soll, die Bilder, "mit deren Hilfe die Geschichte in unseren Köpfen befestigt wird" (Susan Sontag). Oft ist es sogar schon so, dass die Bilder die geschichtlichen Informationen ersetzen, weil sie als bekannt vorausgesetzt werden. Dabei reicht es meistens auch schon, einfach irgendwie Bescheid zu wissen: es genügt zu erkennen, dass es um den Holocaust geht, wenn man die Leichen und ausgemergelten Gestalten sieht, was spielt es da noch für eine Rolle, wer genau wem was angetan hat und wann. Es genügt zu erkennen, dass es sich um die sechziger Jahre handelt und das gesuchte Stichwort "Protest" ist, wenn man Hippies sieht oder Demonstranten (aus der Entfernung sind diese beiden Gruppen sowieso schwer unterscheidbar). Es ist also möglich, die Bilder erkennen, ohne die Geschichte zu kennen.
Denn das wichtigste an diesen Fotos ist doch, dass sie an sich überhaupt nichts aussagen. Sie sind ohne ihren Kontext absolut wertlos und sie rufen im Betrachter außer Irritation keine Gefühle hervor, wenn er nicht weiß, worum es geht. Das unaufhörliche Zeigen der immer gleichen Bilder erweckt in ihm nur die Illusion von Informiertheit, das Gefühl, irgend etwas zu verbinden mit dem Gezeigten, und sei es auch nur, diese Bilder schon unzählige Male gesehen zu haben.
Das gleiche passiert anscheinend gerade mit dem Irak-Krieg. Die Funktion solcher Jubiläums-Fotogalerien ist, den Betrachter schon mal vertraut zu machen mit den Bildern, die er in Zukunft immer zu sehen bekommt, wenn es um den Irak-Krieg gehen wird. Zum Jahrestag kann man einmal innehalten und schon mal ein paar gute Bilder fürs Album aussuchen.
Interessanterweise habe ich die meisten der Bilder noch nie gesehen. An sich ist das aber kein Problem: wenn es in der nächsten Zeit nur oft genug wiederholt wird, dass das die Bilder sind, die untrennbar mit diesem Krieg verbunden sind, dann wird es auch irgendwann so sein.
Und dabei fällt auch auf, dass sich die beiden Bildergalerien stark voneinander unterscheiden. Vor allem enthält die Spiegel-Galerie keines der Abu Ghraib-Bilder, die Stern-Galerie schon. Und damit wird auch deutlich, wie politisch diese eigentlich objektiven Bilder eigentlich sind: denn mit der Auswahl der Bilder wird auch gleichzeitig eine Entscheidung getroffen über die Bewertung des Gezeigten: Wenn man Bilder vom Krieg zeigt, zeigt man Sieger, oder zeigt man Opfer? Und wenn man Opfer zeigt, dann welche? Daran entscheidet sich letzten Endes die Bewertung des Krieges in der Zukunft, wenn die Wogen sich geglättet haben werden. Vietnam wird für immer die schreienden, weinenden Napalm-Kinder sein, auch wenn es bestimmt viele Bilder von erschöpften Soldaten gab. Darüber, was der Irak-Krieg sein wird, wird anscheinend im Moment noch gerungen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen