Also gut, reden wir über Tibet. Machen ja alle. Und ja, natürlich ist mir aufgefallen, dass überall mehr oder weniger das gleiche steht, dass die Antagonisten und die ihnen zugeordneten Attribute in diesem Konflikt überall die Selben sind: Mönche - Buddhisten - friedlich, Polizei - Chinesen - schießen.
Ich war noch nie in Tibet und ich bin auch kein Buddhist (auch wenn mein Ergebnis bei diesem Test hier das Gegenteil nahe legt), ich muss mich auf das verlassen, was ich zu lesen/sehen kriege, und es stimmt mich schon misstrauisch, wenn plötzlich überall einhellige Übereinstimmung herrscht darüber, wer hier im Recht ist und wer im Unrecht, denn das ist ja normalerweise nie so. (Genau! So weit ist es nun schon! Anstatt dass ich das als Beweis nehme dafür, dass die Lage ausnahmsweise mal eindeutig ist: Misstrauen!)
Nur in dieser Tageszeitung fand ich einen Beitrag (Teil 1, Teil 2) der sich dem allerorten herrschenden Pro-Tibetischen Konsens (in Wahrheit bröckelt er schon) entgegenstemmt. Im Duktus des Autors müsste es wohl eher heißen: in dieser "Tageszeitung" fand ich einen "Beitrag".... - und damit bin ich auch schon beim Thema, denn das Zeug ist Hetze der übelsten Art. Schade eigentlich.
Denn um ehrlich zu sein, geht mir dieser Dalai Lama mit seinem debilen Gekicher schon gehörig auf den Keks. Ich habe keine Ahnung, wofür er in Wirklichkeit steht, ob er überhaupt für etwas steht, ob er politische Ansichten hat, und wenn ja, woraus diese bestehen. Und ich fürchte, dass alle diese Leute, die sich als seine Freunde betrachten (wenn man solche Freunde hat; braucht man da eigentlich noch die Chinesen?), das auch nicht so genau wissen. Insofern hat der Autor Colin Goldner (offenbar ein Amok-Sachbuchschreiber) schon recht mit seinem Vorsatz, das mythische Shangri-La zu entzaubern, das Tibet laut all den ahnungslosen Hobbybuddhisten gewesen sein soll, bevor die Chinesen einmarschierten.
Aber! Schon allein die Sprachlichkeit erweckt den Anschein, als hätte der Autor sein Handwerk noch zu Stalins Lebzeiten erlernt, und sie ist in Wirklichkeit wahrscheinlich einfach von der chinesischen Darstellung übernommen. Vom "Rotkuttenmob" liest man da, und von "Mönchstrupps", die "marodierend" durch die Straßen ziehen und "auf jeden einprügelten, der nicht tibetisch genug aussah". Vom Dalai Lama und seinen "Verlautbarungsorganen" ist die Rede, die "Lügenpropaganda" an "bürgerliche Westmedien" liefert. Meine Güte. Ja, der kalte Krieg fehlt uns allen, als die Lager sich noch stramm gegenüberstanden, und jeder wusste wo der Feind stand. Und wenn ich zunächst nur den Verdacht hatte, dass die zur Zeit herrschende einhellige Tibet-Solidarität sich zu großen Teilen aus Überresten eines alten antikommunistischen Reflexes speist: hier findet sich der Beweis und der Gegenreflex in einem.
Aber nicht nur die Sprache disqualifiziert den Autor, auch die Geschütze, die er auffährt: Zunächst führt er gegen den Dalai Lama dessen "eklatant frauen- und homosexuellenfeindlichen Positionen" ins Feld, erläutert diese Anschuldigungen aber nicht weiter und kommt auch nicht mehr darauf zurück. Überhaupt ist es eine beliebte Praxis des Autors, die haarsträubendsten Dinge zu behaupten, ohne sie überprüfbar zu machen. Unter dem Deckmantel der Aufklärung erklärt er dann, was er über die tibetische Religion, den Buddhismus, den er als "pathologischen Karmawahn" denunziert, herausgefunden hat: "menschenunwürdige Unterwerfungsrituale" und Vergewaltigungen von jungen Mädchen sowie der Genuss von Menschenfleisch und Kot sind an der Tagesordnung, wenn man dem Autor glauben möchte.
Jetzt mal im Ernst: Buddhisten essen Kacke? Wer hat sich das ausgedacht? Cartman? (Der glaubt auch, dass Juden immer ihr Gold an einer Schnur um den Hals tragen.) Wenn das stimmen würde, dann hätten wir doch bestimmt schon mal davon gehört, oder? Denn so tiefgreifend ist der Buddhismus-Wahn nun doch nicht, als dass sich jemand diese Story entgehen lassen würde!
Und so geht das munter weiter. Angaben der Tibeter über tibetische Opfer oder die Menschenrechtsverletzungen der Chinesen werden als "Propaganda zur Sammlung von Sympathiepunkten beziehungsweise Spendengeldern" abgetan, stattdessen stützt sich der Autor lieber auf "offizielle Angaben", die beweisen, dass alles halb so schlimm ist in Tibet. Offizielle Angaben? Das sind die Angeben der Chinesen? Und weil die nicht angeben, dass sie in Tibet menschenrechtswidrig vorgehen und vorgingen, dann stimmt das auch. Das klingt allerdings plausibel.
Am besten ist die Empörung des Autors über die "gleichgeschalteten Medien": diese verletzten mit ihrer tendenziösen pro-Tibetischen Berichterstattung ihre "journalistische Sorgfaltspflicht", klagt er an. Das glaube ich gerne, nur scheint mir ausgerechnet Herr Goldner in dieser Sache der denkbar falsche Ankläger zu sein. Denn während die anderen Medien womöglich unkritisch die Darstellungen der Tibeter weitergeben, macht er das gleiche einfach mit der chinesischen Propaganda. Und das eine ist genauso falsch wie das andere, denn: Das Gegenteil ist auch verkehrt!
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3 Kommentare:
Doch wieder sehr schön. Und so angenehm sachlich. Da rege ich mich auch nicht über die Google-Manipulation auf. Der Höhepunkt war allerdings das Bekenntnis, dass der hochgeschätzten Autorin das Grinsen auf den Sack ginge. Dem ist wahrlich nichts hinzuzufügen.
Hä, was wie, Manipulation? gar nicht! das kannst du auch! der gesuchte Satz muss einfach nur absurd genug sein...
Da die Tibeter sich über die Religion definieren, werden sie -da ihre Religion auch viele Stars auf der Suche nach sinnerfülltem Leben begeistert- in ihrem Kampf gegen die Chinesen für ihre Autonomie wahr genommen. Das Beschämende für die Welt ist, daß man immer dieses Mäntelchen Religion braucht, um auf seine Unterdrückung aufmerksam zu machen. Als Gegenbeispiel sei doch nur Tschetschenien erwähnt, das aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Man will daran auch nicht erinnert werden und dieses kleine Land mit seinen Menschen ist keine Nachricht wert,weil da die "freie" Welt absolut nichts erreicht hat. Die nächste Schlagzeile bitte, die nächste Aufregung, dann hat man ja ein Thema, wo man sich gut und anständig fühlen kann.
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