Mittwoch, 21. Mai 2008

A propos Amstetten

Nichts Böses ahnend wollte ich mir neulich nachts noch einen Film anschauen, und dann das: Bad Boy Bubby. Der Film handelt von einem Mann, der von seiner Mutter 35 Jahre im Keller gefangen gehalten wurde. Ihre uneingeschränkte Herrschaft in diesem Keller verdankt die Mutter einem rigiden Moralsystem aus Schuld und Bestrafung, Wohlverhalten und Belohnung, in das unter anderem Jesus involviert ist (der alles sieht), und das als Bestrafungs- bzw. Belohnungsmittel körperliche Züchtigung bzw. inzestuösen Beischlaf enthält.
Der Film handelt eigentlich davon, wie Bubby, nachdem er dem Keller entflohen ist, in der Welt draußen zurechtkommt (nämlich besser als man erwarten würde), aber vor dem aktuellen Hintergrund fand ich vor allem die Situation in dem Keller interessant.
Man könnte zunächst einwenden, dass diese Konstellation, in der die Mutter/Frau der Täter ist, die Realität verharmlost, in der nun mal in den meisten Fällen (Zahlen? oder ist das eine so populäre Wahrheit, dass man sie nicht mehr belegen muss?) der Vater/Mann als Aggressor in Erscheinung tritt. Andererseits legt genau diese Verdrehung der naheliegenden Richtung von Gewalt die eigentliche Struktur von Gewalt frei, deren Grundlage zunächst eine von beiden Seiten anerkannte Hierarchie bildet. Und auch wenn in den meisten Fällen die patriarchiale Ordnung den Vater/Mann an die Spitze der Hierarchie setzt, kann das Ganze genausogut mit umgekehrten Vorzeichen stattfinden, indem z.B., wie in diesem Fall, das Hierarchiesystem Alter/Jugend über das System Mann/Frau gestellt wird. Gewalt ist also nicht männlich, sie ist strukturell, sagt dieser Film. Indem die Mutter sich "männlich" verhält, zeigt sie die Variabilität solcher geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen. Das ist doch schon mal ziemlich queer für einen Film von 1993.
Bemerkenswert daran ist auch, wie diese Strukturalität von Gewalt vorgeführt wird: Es gibt einige Szenen, in denen die Mutter den Sohn verprügelt und er sich nicht wehrt, obwohl er offensichtlich körperlich stärker ist als sie. Und auch Jesus, der ja eigentlich für alle da sein sollte, vor allem für die Schwachen, oder der in einer anderen Deutungsart Repräsentant des patriarchialen Herrschaftssystems ist, ist hier auf der Seite der Mutter, der Starken; er passt auf wenn sie nicht da ist und verteidigt so das bestehende System. Wenn die Hierarchie also erst einmal etabliert ist, dann verweisen alle Zeichen auf ihre Konsistenz. So ist es dann auch möglich, dass die Mutter den Sohn sexuell missbraucht, dass sie ihn ihrem Begehren unterwirft, ein Vorgang, der die übliche Auffassung von sexueller Dominanz konterkariert. Der Penis und die damit assoziierte sexuelle Dominanz ist demnach nicht Ursache, sondern nur Ausdruck männlicher Herrschaft, und damit relativ.
Folgerichtig gerät das Herrschaftssystem im Keller auch erst aus den Fugen, als eine weitere Person auftaucht, nämlich der Vater, der (hallo Konvention) wiederum die Mutter unterwirft und dem Sohn so neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet.
Alles in allem ein kontroverser Beitrag zum Thema, ich wundere mich, dass er noch nicht im Fernsehen gezeigt wurde. Hier kann man den Film online in voller Länge anschauen. Die Qualität ist zwar nicht besonders gut, aber wenn die Videothek schon zu hat oder zu weit weg ist, ist es alle mal eine Option.

2 Kommentare:

Ivo Bozic hat gesagt…

hmm klingt eher so, als wäre er genau deshalb nicht im fernsehen gezeigt worden. das dauert noch ein paar wochen, bis man wieder filme, die unten, äh also im keller spielen, sehen wird...

"Jan Vogel-Lüdenscheid" hat gesagt…

Aber er ist immer noch nicht gezeigt worden. Verdammte Schamfrist.