Diese Woche im "Stern" die große Titelgeschichte: Interview mit Lynndie England, der "Frau aus dem Folter Gefängnis". (Steht das da eigentlich über dem Eingang? "Abu Ghraib, Foltergefängnis"?)
Ziemlich reißerisch aufgemacht das Ganze, aber das Interview ist ganz interessant. Sie habe nur Befehle befolgt, sagt sie. Eigentlich ist das ja eine ziemlich unoriginelle Ausrede, die wir schon zu genüge kennen, aber diesmal musste ich ausnahmsweise nicht an Nazis denken, sondern an Filme wie "Full Metal Jacket" oder "Jarhead", in denen die Ausbildung der Army vor allem darin besteht, die Körper der Rekruten zu stählen, und deren Willen zu brechen. Lynndie England: "(...) im Militär folgst du Befehlen. Es heißt immer nur: Yes, Sir. No, Sir, Du folgst ihnen. Du stellst keine Fragen. Jetzt aber sagen die: "Du hättest Fragen stellen sollen.""
Ich war ja nie in einer Armee, und ich kenne auch fast niemanden, der bei der Bundeswehr war (auch noch so ein Phänomen, über das man mal nachdenken sollte), aber wenn diese Filme die Realität einigermaßen zutreffend darstellen, dann geht es bei dieser Ausbildungsmethode vor allem darum, dem Soldaten absoluten Gehorsam einzutrimmen, auch wenn der Befehl ganz offensichtlich jeglicher Vernunft widerspricht und nur der Willkür und dem Sadismus des Befehlsgebers entstammt. Wie weit die Soldaten jeweils sind, kann man testen, indem man extra sinnlose Befehle gibt, und dann diejenigen öffentlich demütigt, die sich dem Befehl vernünftigerweise widersetzen. Demütigungen von Vorgesetzten ohne Murren auszuhalten, ist auch so eine Fähigkeit, die man in der Grundausbildung lernt. Ich weiß auch nicht, wozu das im Krieg nützlich sein soll, aber anscheinend sind es Eigenschaften, die man sehr schätzt an Soldaten: wenn sie nicht nachdenken, sondern gehorchen und sich demütigen lassen.
Ist es nicht das Ziel der Ausbildung, den Charakter dieser Menschen zu formen? Am Ende sind die Menschen, die man erhält, solche, in deren Realität Gewalt und Demütigung vorkommen, weil sie sie in der Armee kennengelernt haben. Wenn diese Menschen, nachdem sie sich jahrelang anschreien und herumkommandieren haben lassen, endlich in eine Position gelangen, in der sie Macht über andere Menschen ausüben können, ist es dann besonders verwunderlich, dass sie die Gelegenheit freudig ergreifen und alles zurückgeben, was sie erhalten haben? Man könnte auch sagen: anwenden, was sie gelernt haben? Ist es denn nicht eine Binsenweisheit, dass gedemütigte Menschen niemals Macht über andere bekommen sollten? Der Umkehrschluss, dass man Menschen, denen man Macht über andere anvertrauen möchte, vorher keinen Demütigungen aussetzen sollte, liegt da eigentlich nahe.
Ich will die Leute nicht verteidigen, die dort Gefangene gefoltert haben, und allem Anschein nach auch noch Spaß daran hatten, ich frage mich nur, ob es sich bei ihnen, wie Rumsfeld behauptete, um "faule Äpfel" in einer ansonsten tadellosen Organisation handelt, oder ob eine hierarchisch organisierte Einrichtung, wie es eine Armee nun mal ist, nicht die Folter schon prinzipiell in sich trägt, und ob nicht Ausbildungsmethoden, wie diejenigen, die via Popkultur zu uns dringen, nicht den eventuell vorhandenen Sadismus in den Soldaten legitimiert und fördert.
In dem Interview heißt es weiter "Was wir gemacht haben, passiert in jedem anderen Krieg. Nur gibt es davon keine Beweise in Form von Fotos. Ohne die Bilder wäre die Aufregung niemals so groß gewesen." Erst letzte Woche wurden die Urteile im Prozess um die Folterungen in der Bundeswehr gesprochen. Wenn man sich die Aufnahmen dieser "Übungen" anschaut, erhält man manchmal den Eindruck, als ob die Beteiligten dort das Prinzip Krieg/Armee nachspielen, so wie sie es aus Filmen kennen. Und dieses Prinzip ist offenbar nicht nur in meiner Vorstellung mit Demütigung und Folter verbunden, sondern auch in der dieser Rekruten.
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1 Kommentar:
Wat ein schöner oder vielmehr treffender Beitrag.
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